Die Ferber-Methode: Ein umstrittenes Schlaftraining für Babys

Vielleicht hast du schon mal von der Ferber Methode gehört? Sie wird oft als Lösung für schlaflose Nächte bei Babys und Kleinkindern angepriesen. Doch was steckt wirklich dahinter?

Die Ferber-Methode, benannt nach dem amerikanischen Kinderarzt Dr. Richard Ferber, ist eine Methode des Schlaftrainings für Babys. Ziel ist es, den Kleinen beizubringen, alleine einzuschlafen, indem sie in kontrollierten Abständen alleine gelassen werden. Die Idee dahinter? Babys sollen lernen, selbstständig wieder in den Schlaf zu finden, ohne dass Mama oder Papa jedes Mal eingreifen müssen.

In Deutschland und Österreich wurde die Methode besonders durch die Psychologin Annette Kast-Zahn und den Kinderarzt Hartmut Morgenroth bekannt, die das Buch „Jedes Kind kann schlafen lernen“ veröffentlicht haben. Klingt super, oder? Aber was steckt wirklich dahinter? In diesem Artikel schauen wir uns die Ferber-Methode genauer an, erklären ihre Prinzipien und diskutieren, welche Auswirkungen sie auf dein Kind und die Beziehung zwischen Eltern und Kind haben kann.

Prinzipien der Ferber Methode

Graduierte Extinktion

Die Kernidee der Ferber Methode ist die „graduierte Extinktion“. Das bedeutet, dass Eltern ihr Kind in immer länger werdenden Abständen alleine lassen, bevor sie es trösten. In der ersten Nacht könnte das bedeuten, das Baby nach fünf Minuten, dann nach zehn Minuten und schließlich nach fünfzehn Minuten zu trösten. In den folgenden Nächten werden diese Zeitabstände sukzessive verlängert.

Kontrollierte Tröstung

Kontrolliertes Trösten – klingt erstmal besser als kontrolliertes Schreienlassen. Aber ehrlich gesagt, hilft es den Kleinen nicht wirklich. Warum? Während der „Tröstphasen“ dürfen Eltern das Kind beruhigen, jedoch ohne es aus dem Bett zu nehmen oder zu lange bei ihm zu bleiben. Der Gedanke dahinter ist, dass das Kind zwar merkt, dass die Eltern noch da sind, aber gleichzeitig lernt, dass es selbst wieder einschlafen muss. Wenn Babys Trost brauchen, wollen sie jedoch hochgenommen, gestillt und getragen werden – sie brauchen die Nähe ihrer Eltern. Einfach nur nette Worte helfen ihnen nicht weiter, weder tagsüber noch nachts.

Konsequente Routine

Eine feste Schlafenszeit-Routine ist ein weiteres wichtiges Element der Ferber Methode. Ein gleichbleibender Ablauf vor dem Zubettgehen, wie Baden, Vorlesen oder Singen, soll dem Kind helfen, den Übergang zur Schlafenszeit zu verstehen und sich darauf vorzubereiten.

Kritische Aspekte der Ferber Methode

Obwohl die Methode bei einigen Familien erfolgreich zu sein scheint, gibt es auch viele kritische Stimmen und Studien, die auf potenzielle negative Auswirkungen hinweisen.

  • Stress für das Kind: Ein häufiges Argument gegen die Ferber Methode ist, dass das Schreien-lassen zu erheblichem Stress für das Kind führen kann. Mehrere Studien haben gezeigt, dass Babys, die längere Zeit schreien, erhöhte Cortisolspiegel aufweisen. Cortisol ist ein Stresshormon, das bei chronisch erhöhten Werten negative Auswirkungen auf die emotionale und physische Gesundheit des Kindes haben kann. Auch Dr. William Sears, ein bekannter Kinderarzt und Verfechter des Attachment Parenting, äußerte sich oft kritisch über Methoden des kontrollierten Weinens, einschließlich der Ferber-Methode. In seinen Veröffentlichungen betont er: „Die Ferber-Methode kann für das Kind sehr stressig sein und zu einem Gefühl der Verlassenheit führen. Langfristig könnte dies das Vertrauen des Kindes in seine Eltern beeinträchtigen.“
  • Bindungsprobleme: Ein weiterer kritischer Punkt ist die potenzielle Gefahr für die Bindung zwischen Eltern und Kind. Die ersten Lebensjahre sind entscheidend für die Entwicklung einer sicheren Bindung. Wenn ein Baby das Gefühl hat, in seiner Not allein gelassen zu werden, könnte dies das Vertrauen in die Eltern untergraben. Kinder, die eine sichere Bindung zu ihren Eltern haben, zeigen in der Regel bessere emotionale und soziale Fähigkeiten. Kritiker der Ferber Methode befürchten, dass diese sichere Bindung durch das Schreien-lassen gefährdet werden könnte.
  • Eltern-Kind-Beziehung: Nicht nur das Kind, sondern auch die Eltern können durch die Methode erheblichen Stress erleben. Viele Eltern empfinden es als extrem belastend, ihr Kind schreien zu lassen. Diese Situation kann zu Schuldgefühlen und einer belasteten Eltern-Kind-Beziehung führen. Zudem kann die Methode bei Eltern, die ohnehin schon unter Schlafmangel leiden, zusätzlichen Stress verursachen und ihre eigene Gesundheit beeinträchtigen.

In ihrem Artikel „Lieber ‘ferbern’ als schütteln!“ betont die bekannte Hebamme Jana Friedrich jedoch, dass sie das ‘Ferbern’ zwar für ungeeignet hält, aber in extremen Stresssituationen für Eltern manchmal die einzige Option sei, das Kind sicher abzulegen und sich kurz zurückzuziehen, um gefährliche Handlungen wie Schütteln zu vermeiden.

Was lernen die Kinder wirklich?

Auf den ersten Blick scheint die Sache klar: Wenn Kinder endlich einschlafen, haben sie das Schlafen gelernt. Aber Hirnforscher sehen das anders. Kinder lernen durch positive Gefühle und Beziehungen. Programme wie das kontrollierte Schreienlassen setzen eher auf Stress als auf Geborgenheit. Das führt dazu, dass Kinder nicht wirklich lernen, alleine zu schlafen, sondern einfach aufhören zu protestieren.

Schlafen geht anders

Anstatt Kinder in den Schlaf weinen zu lassen, könnten Eltern sie liebevoll begleiten. Studien zeigen, dass Babys unterschiedlich lange schlafen und oft nicht durchschlafen, weil ihr Schlafbedarf verschieden ist. Die Vorstellung, dass alle Babys 11 Stunden am Stück schlafen müssen, ist also nicht korrekt.

Lernen die Babys, sich selbst zu trösten?

Ein Versprechen dieser Programme ist, dass Babys lernen, sich selbst zu trösten. Doch die Realität sieht anders aus. Babys, deren Schreien ignoriert wird, geben irgendwann auf und schlafen aus Erschöpfung ein. Sie entwickeln dabei keine echte Selbstberuhigung, sondern eine Art „Schutzstarre“.

Die Theorie passt nicht zum Kind!

Die Theorie hinter diesen Methoden basiert auf dem Behaviorismus, der Mensch und Tier als Reiz-Reaktions-Maschinen sieht. Diese Sichtweise ignoriert jedoch die wichtige Beziehungsebene. Kinder brauchen Zeit, um sich an neue Situationen zu gewöhnen und Vertrauen aufzubauen. Das gilt auch fürs Schlafen. Anstatt Kinder alleine und hilflos einschlafen zu lassen, sollten wir ihnen Geborgenheit und Sicherheit bieten. Insgesamt zeigt sich: Schlafprogramme, die auf kontrolliertem Schreienlassen basieren, berücksichtigen die emotionalen Bedürfnisse von Kindern nicht ausreichend. Liebevolle Begleitung und das Eingehen auf die individuellen Schlafbedürfnisse der Kleinen sind der bessere Weg.

Alternative Ansätze

Es gibt zahlreiche alternative Schlafmethoden, die auf sanfteren Ansätzen basieren und oft besser zu den individuellen Bedürfnissen der Familie passen.

  • Attachment Parenting: Dieser Ansatz legt den Fokus auf den Aufbau einer starken Bindung und das schnelle Reagieren auf die Bedürfnisse des Kindes. Es geht darum, dem Kind ein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit zu geben, indem es nicht schreien gelassen wird. Das Kind schläft oft im selben Zimmer oder sogar im selben Bett wie die Eltern, um Nähe und Sicherheit zu gewährleisten.
  • No-Tears-Methode: Diese Methode setzt darauf, dass das Kind ohne Schreien und Stress das Einschlafen lernt. Eltern bleiben dabei so lange beim Kind, bis es eingeschlafen ist. Der Prozess kann länger dauern als bei der Ferber Methode, ist aber für viele Eltern und Kinder weniger stressig. Zu den Techniken dieser Methode gehören sanftes Streicheln, beruhigendes Singen oder das Erzählen von Geschichten.
  • Bedsharing oder Co-Sleeping: Viele Eltern finden, dass das gemeinsame Schlafen mit dem Kind sowohl den Schlaf des Kindes als auch den der Eltern verbessert. Bedsharing bedeutet, dass das Kind im gleichen Bett wie die Eltern schläft, während Co-Sleeping das Schlafen in unmittelbarer Nähe, aber in einem eigenen Bettchen, beschreibt. Diese Methoden fördern die Nähe und das Sicherheitsgefühl des Kindes und erleichtern das nächtliche Stillen.
  • Keine Tränen-Methode: Die „Keine Tränen-Methode“ basiert darauf, dass das Kind ohne jegliches Schreien lernen soll, alleine einzuschlafen. Dabei wird das Baby liebevoll begleitet, bis es einschläft. Es geht darum, eine beruhigende Schlafumgebung zu schaffen und das Kind durch sanftes Streicheln, beruhigendes Singen oder das Erzählen von Geschichten in den Schlaf zu begleiten.
  • Pick Up/Put Down-Methode: Bei der „Pick Up/Put Down-Methode“ von Tracy Hogg nehmen Eltern ihr weinendes Baby aus dem Bett, beruhigen es und legen es wieder hin, sobald es sich beruhigt hat. Dies wird so oft wiederholt, bis das Baby schließlich alleine einschläft. Diese Methode soll das Vertrauen des Babys stärken, dass die Eltern da sind, ohne dass es sich alleine gelassen fühlt.
  • Fading-Methode: Die „Fading-Methode“ setzt darauf, dass Eltern sich nach und nach immer weiter vom Bett des Kindes entfernen, bis das Kind alleine einschlafen kann. Dies geschieht in kleinen Schritten, um dem Kind die nötige Sicherheit zu geben. Zuerst sitzen die Eltern direkt neben dem Bett, dann etwas weiter entfernt und schließlich außerhalb des Zimmers.

Fazit: Für wen ist die Ferber-Methode geeignet?

Die Ferber Methode ist sicherlich nicht für jede Familie geeignet. Während sie bei einigen Babys zu einem besseren Schlafverhalten führen kann, birgt sie auch Risiken, die nicht außer Acht gelassen werden sollten. Jede Familie sollte für sich selbst entscheiden, welcher Ansatz am besten zu ihren Bedürfnissen und Werten passt. Wichtig ist, dass das Wohl des Kindes stets im Vordergrund steht und Eltern sich gut informieren, bevor sie eine Schlaftrainingsmethode anwenden.

Wenn du das Gefühl hast, dass die Ferber Methode für euch nicht das Richtige ist, scheue dich nicht, nach sanfteren Alternativen zu suchen. Schlaftraining muss nicht immer mit Tränen und Stress verbunden sein – es gibt Wege, wie dein Kind behutsam lernen kann, alleine zu schlafen. Wichtig ist, dass ihr als Familie eine Methode findet, die zu euch passt und bei der sich sowohl Eltern als auch Kind wohlfühlen.


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Redaktion

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